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Der Europäische Binnenenmarkt

     Gefahrenanalyse, Risikobeurteilung und Gefährdungsbeurteilung
                          Definitionen und Unterschiede



Immer wieder taucht die Frage auf, ob ein Unterschied zwischen einer Gefahrenanalyse, einer Risikobeurteilung und einer Gefährdungsbeurteilung existiert? Und immer wieder sorgen diese Begrifflichkeiten für Verwirrung.

Die Begriffe Gefahrenanalyse und Gefährdungsbeurteilung werden häufig – und in fälschlicher Weise – als Synonym verwendet oder schlichtweg verwechselt. Sie sind jedoch nicht identisch und bezeichnen unterschiedliche Verfahren zur Identifizierung von Risiken und Gefährdungen, die in unterschiedlichen Bereichen Anwendung finden.

Tatsächlich gleichzusetzen sind jedoch die Begriffe Gefahrenanalyse und Risikobeurteilung, welche  gleich Verfahren bezeichnen, jedoch in unterschiedlichen Normen so verwendet werden.

Risikoanaylse bedeutet Identifizierung aller Gefährdungen und Risiokoeinschätzung
Risikobewertung bedeutet das Bewerten der gefundenen Risiken

also:  
Risikobeurteilung = Risikoanalyse + Risikobewertung + daraus: Ableitung v.  
                                                                         Schutzmaßnahmen zur Risikominderung


Wichtig zu wissen ist, dass die Gefahrenanalyse bzw. Risikobeurteilung einen Bestandteil der Konformitätsbewertung darstellt. Als Bestandteil der internen Dokumentation verbleibt eine Gefahrenanalyse / Risikobeurteilung im Normalfall beim Hersteller. Nur auf Wunsch des Kunden, wenn dies also Vertragsbestandteil beim Kauf der Maschine ist, wird diese dem Anwender ausgehändigt.

Gefahrenanalyse / Risikobeurteilung

Bei der Gefahrenanalyse bzw. Risikobeurteilung handelt es sich um Verfahren zur Risikominderung die beispielweise in folgenden produktbezogenen Richtlinien gefordert wird:

- Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (gültig seit 29.12.2009 „Risikobeurteilung“)
- Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU (gültig seit 15.05.2014 „Gefahrenanalyse“)

Entsprechend dieser gültigen Richtlinien ist der Hersteller verpflichtet, eine „geeignete Risikoanalyse / - bewertung“ (gemäß Druckgeräterichtlinie) bzw. eine Risikobeurteilung (gemäß Maschinenrichtlinie) durchzuführen. Ziel ist die Ermittlung sämtlicher Gefahren, welche mit der/dem betrachteten Maschine / Gerät / Bauteile verbundenen sind. Die Planung und Konstruktion muss danach unter Berücksichtigung dieser Analyse/Beurteilung erfolgen.

In der Regel werden die Richtlinien mit den Verordnungen zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) in deutsches Recht umgesetzt – zum Beispiel:

-   9. GPSGV – Maschinenverordnung (Umsetzung der Maschinenrichtlinie)
- 14. GPSGV – Druckgeräteverordnung (Umsetzung der Druckgeräterichtlinie)

Im Rahmen einer Gefahrenanalyse / Risikobeurteilung werden alle Gefahren und Risiken, die von einem Gerät / Maschine ausgehen können, identifiziert, eingeschätzt, bewertet und durch ein Risikominderung soweit verringert, bis nur noch ein vertretbares Restrisiko bestehen bleibt. Ein großer Teil der Gefahren werden dabei durch die Einhaltung bestehender Regelwerke (z.B. DIN EN 378 Ausgabe 2018/04 Kälteanlagen u. Wärmepumpen) bereits berücksichtigt. Risiken, die nicht beseitigt werden können, müssen als Restrisiken ausgewiesen werden und sind in der Betriebsanleitung anzugeben.

Gefährdungsbeurteilung

Was ist nun der Unterschied der Gefährdungsbeurteilung gegenüber der Gefahrenanalyse / Risikobeurteilung? Verschiedenen Verordnungen und EG-Richtlinien zum betrieblichen Arbeitsschutz fordern die Gefährdungsbeurteilung. Konkret sind dies die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und Gefahrstoffverordnung (GefStoffV).

Die gesetzliche Regelung gibt vor, dass der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung für die vorgenannten 3 Gesetze / Verordnungen erstellen muss. Wenn eine Gefährdungsbeurteilung erstellt wird, werden alle Gefährdungen ermittelt, welche in einem Arbeitsbereich auftreten können. Damit soll sichergestellt sein, dass den Beschäftigten für die Arbeit sichere und geeignete Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden. Im folgenden Schritt werde anhand der Gefährdungsbeurteilung die zu treffenden Schutzmaßnahmen abgeleitet.


Weitere Informationen zum Thema Gefährdungsbeurteilung finen Sie hier

Zusammenfassung

Es existiert also ein klarer Unterschied zwischen Gefahrenanalyse / Risikobeurteilung und Gefährdungsbeurteilung. Beide Verfahren werden mit der Zielsetzung eingesetzt Gefahrenpotentiale zu erkennen und zu bewerten, werden jedoch in unterschiedlichen Bereichen verwendet. Die Begriffe Gefahrenanalyse und Risikobeurteilung bezeichnen jedoch das gleiche Verfahren und sind somit als Synonyme verwendbar.

Bei einer Gefährdungsbeurteilung werden Gefährdungen behandelt, die in einem Arbeitsbereich in einem Betrieb auftreten können. Die Gefährdungsbeurteilung erstellt der Betreiber.

Bei der Gefahrenanalyse / Risikobeurteilung muss der Hersteller von einem Gerät bzw. einer Maschine nur die Gefahren und Risiken betrachten, die von dem entsprechenden Gerät bzw. der Maschine ausgehen. Dieser Prozess findet im Zuge der Konstruktion und Entwicklung statt.

Risikobeurteilung für folgende EU Richtlinie:

Eine Risikobeurteilung wird von den drei wichtigsten Richtlinien, also EMV, Niederspannungs- und Maschinenrichtlinie gefordert, aber in unterschiedlicher Tiefe.


Entsprechend dem EU-Amtsblatt der veröffentlichten harmonisierten Normen nach der Niederspannungrichtlinie fallen unter anderem derartige Erzeugnisse unter die Niederspannungsrichtlinie:

    Schaltschränke (Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen)
    Haushaltsgeräte (elektrische Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke)
    Elektrische Systemtechnik für Heim und Gebäude (ESHG) und an Systeme der 
    Gebäudeautomation
    Elektrische Ausrüstung von Feuerungsanlagen
    Elektrisch gesteuerte Fluchttüranlagen
    Elektrische Meßgeräte
    Kabel und Leitungen
    Überspannungsschutzgeräte, Geräteschutzsicherungen
    Drehende elektrische Maschinen
    Audio-, Video- und ähnliche elektronische Geräte
    elektrisch betriebene Wärmepumpen, Klimageräte und Raumluft-Entfeuchter
    ...

Die europäische Norm EN ISO 12100 ist nicht nach der Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU harmonisiert. Dies führt zur Frage, ob diese Norm dennoch für Risikobeurteilungen nach der Niederspannungsrichtlinie angewendet werden kann. Eine mögliche Antwort auf diese Frage findet sich in der Einleitung der EN ISO 12100:

„Soweit dies bei der Abfassung der vorliegenden Internationalen Norm zweckdienlich war, wurde der ISO/IEC Guide 51 berücksichtigt.“

Auf Basis des ISO/IEC Guides  51 (Safety aspects — Guidelines for their inclusion in standards) wurde 2014 der CENELEC Guide 32 (Guidelines for Safety Related Risk Assessment and Risk Reduction for Low Voltage Equipment) entwickelt.

Dieser Guide beschreibt in den wesentlichen Elementen genau die Vorgehensweise von EN ISO 12100. Auf Basis dieses Guides werden Sicherheitsaspekte für Normen entwickelt, die in weiterer Folge nach der Niederspannungsrichtlinie (NSR) harmonisiert werden (können). Ein Beispiel dafür ist im informativen Anhang J (Risikobeurteilung) der EN 61010-1:2010 zu finden:

"Im Folgenden ist ein Verfahren zur Beurteilung eines Risikos beschrieben, welches auf dem ISO/IEC Guide 51 (1999) basiert. Andere Verfahren sind in ISO 14971, SEMI S10, IEC 61508, ISO 14121-1 (Anm.: heute ISO 12100) und ANSI TR3 beschrieben. Andere eingeführte Verfahren zur Risikobeurteilung können ebenfalls genutzt werden."
Die NSR spricht in Anlehnung an DIN EN ISO 12100 von der Herstellung nach dem in der EU geltenden Stand der Sicherheitstechnik ; zur Erreichung dieser Ziele dienen die  in Anhang I NSR abstrakt formulierten Angaben. Detaillierte Hinweise geben die Normen zu dieser Richtlinie.
Bezogen auf elektrische Betriebsmittel – eingebaut in Maschinen nach MaschRL – wäre die Norm DIN EN 60204 ( El. Ausrüstung von Maschinen – Allgemeine Anforderungen –) anwendbar.

Der Begriff Risikobeurteilung existiert in der NSR nicht.

Fazit

 Da die Methoden zur Risikobeurteilung grundsätzlich sehr ähnlich bzw. nahezu identisch sind und, soweit keine spezielle Basisnorm nach dem CENELEC Guide 32 existiert, erscheint die Anwendung von EN ISO 12100 als geeignet und zweckmäßig.
 Spezielle Anforderungen aus eventuell verfügbaren Produktnormen (C-Normen) sollten immer vorrangig beachtet werden, da sie Vorrang gegenüber A- oder B-Norm besitzen!

Hinweis : Die NSR ( Fassung  2014/68/EU )ist nach dem NLF ( New Legislative Framework ) konzipiert ; der techn. Inhalt gegenüber der Vorgängerfassung hat sich nicht geändert.